Marcel Stalder und die digitale Transformation der Prüfkonzerne
Marcel Stalder, der neue CEO von EY Schweiz, will das Unternehmen grundlegend umkrempeln. Er plant, die gesamte Organisation auf eine digitale Strategie auszurichten und das mittlere Management mit jungen, tech-affinen “Dynamikern” zu besetzen, anstelle der traditionellen Buchhalter-Typen. Sein Ziel ist es, die Kunden von morgen besser zu bedienen, indem er alle ihre Bedürfnisse über das Smartphone abdeckt.
Für Stalder ist klar, dass zwischen der alten Welt der handschriftlichen Akten und Zahlenreihen und der neuen Welt grenzüberschreitender digitaler Datenökosysteme eine fundamentale Transformation stattfinden muss. Für Unternehmen wie EY bedeutet das, ihre Dienstleistungen zunehmend zu digitalisieren und Roboter einzusetzen, um die Kosten zu senken und die Preise zu reduzieren. Sogar der Posten des Finanzvorstands könnte verschwinden und durch eine integrierte Funktion ersetzt werden, vermutet Stalder.
Zu den digitalen Erweckungserlebnissen von EY zählt für Stalder auch die Partnerschaft der Mobiliar mit dem Internetunternehmen Scout24 Schweiz. Mit dem Erwerb von 50 Prozent an Scout24 will der behäbige Versicherungskonzern Mobiliar mehr Kunden erreichen, die über digitale Kanäle Versicherungen abschließen. Denn der traditionelle Versicherungsvertreter wird zunehmend überflüssig. Immer mehr Kunden schließen über Online-Marktplätze und vermeintliche Vergleichsportale, die in Wirklichkeit verdeckte Marketingmaschinen sind, ihre Policen ab – und sind damit in Windeseile fertig.
Mit den Daten, die die 26 Millionen monatlichen Besucher auf den Scout-Portalen hinterlassen, will die Mobiliar dann auch eine digitale Goldgrube erschließen. Mit Hilfe intelligenter Software-Lösungen, die die unstrukturierten Daten indexieren, strukturieren und analysieren, können sie wertvolle Informationen daraus gewinnen. So wissen sie genau, was die Kunden wollen und können ihnen bedarfsgerechte Angebote machen.
Genau hier sind auch die großen Prüfkonzerne wie PwC, Deloitte, EY und KPMG gefordert. Sie müssen sich und ihr Geschäftsmodell von Buchhaltern zu “Faktencheckern” und “Datenberatern” wandeln. Sie bauen ihre digitalen Kompetenzen aus, etwa in Cybersicherheit oder Wirtschaftskriminalitätsbekämpfung, und konkurrieren damit auch mit größeren Beratungsfirmen wie Accenture, AlixPartners oder Stroz Friedberg.
Die Botschaft von EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič, die er beim Treffen des “Lucerne Dialogue” vermittelt hat, ist aber auch klar: Erst müssen die institutionellen Themen wie die Personenfreizügigkeit geklärt sein, bevor über Sachfragen verhandelt werden kann. Der Bundesrat muss dem EU-Mandat bis Januar 2024 zustimmen, sonst hat der Schweizer Wirtschaftsstandort auf Dauer nichts mehr in Europa zu suchen.
Der Präsident des “Lucerne Dialogue”, Marcel Stalder, meint, genau das müssen die Schweiz und die EU jetzt schaffen: entschlossen daran zu arbeiten, die Details zu finden und die Beziehungen rechtssicher zu regeln. Sein Motto: “Packen wir die historische Chance an – das ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung des Wohlstands der Schweiz und zur Stärkung Europas!”